Überblick über die Fördertätigkeiten von Soziokultur NRW in den Jahren 2020/2021

Soziokultur NRW vergibt Fördermittel des Landes NRW in fünf verschiedenen Programmlinien. Damit werden Projekte gefördert, die die alltägliche Lebenswelt in die Kulturarbeit einbeziehen und die Wechselwirkungen von Kunst, Kultur und Gesellschaft in den Blick nehmen. Soziokulturelle Praxis soll der Entfaltung der ästhetischen, kommunikativen und sozialen Bedürfnisse und Fähigkeiten aller Bürger*innen dienen. Sie leistet damit einen Beitrag zur Erhaltung und Weiterentwicklung der kulturellen Chancengleichheit und der demokratischen Kultur. Leitlinie bei der Auswahl der Projekte ist die Stärkung von Innovation und Kontinuität soziokultureller Praxis. Teilhabe und Partizipation sind deren grundlegende Säulen. Durch die Beteiligungsorientierung will Soziokultur Zugänge für alle schaffen, Mitwirkung und -gestaltung auf Augenhöhe bewirken und nicht weiter selbstreferentielle Kunsträume
produzieren. Vorhaben sollen beispielgebend sein für die weitere Entwicklung der Soziokultur. Insbesondere werden auch solche Projekte gefördert, die die Kooperation und Vernetzung in der Kommune, in der Region bzw. im Land NRW zum Ziel haben. Über die Förderungen entscheiden in allen Programmlinien unabhängige, diverse Fachjurys, die sich aus Akteur*innen der Freien Szene sowie aus Aktiven aus den soziokulturellen Zentren und externen Expert*innen zusammensetzen.
Während die Allgemeine Projektförderung allen Antragstellenden mit einem soziokulturellen Vorhaben offensteht, beschränken sich die Programme in der Kooperationsförderung, der Kulturellen Bildung, der Investitionsförderung und der Konzeptförderung auf die Mitglieder von Soziokultur NRW als Antragstellende.

Allgemeine Projektförderung und transkulturelle Kulturarbeit

Die Projektarbeit war und ist immer noch wesentlicher Bestandteil der Arbeit eines jeden soziokulturellen Zentrums, von Initiativen der Freien Szenen, von Kulturvereinen und Künstler*innen sowie engagierten Privatpersonen. Diese Förderlinie stärkt seit Bestehen der Landesarbeitsgemeinschaft soziokulturelle Praxis über alle Kunstsparten hinweg. Hohe Partizipations- und Mitgestaltungsmöglichkeiten der Teilnehmenden an einer künstlerischen Umsetzung in den Grenzbereichen von kultureller, sozialer und gesellschaftspolitischer Arbeit sowie inhärente Austausch- und Begegnungsformate zwischen den beteiligten Zielgruppen sind wesentliche Merkmale der geförderten Projekte. Diese äußern sich in einem deutlichen Anstieg der Anzahl von Projektanträgen aus der Freien Szene insbesondere von neuen als auch jüngeren Initiativen in den letzten Jahren. Das gilt nicht nur für Umsetzungen im Stadtraum, sondern auch für das Engagement im ländlichen Bereich, wobei die urbane Arbeit gemessen an der Projektanzahl noch deutlich überwiegt.

Die geplanten Veranstaltungsformate umfassten in den letzten zwei Jahren klassische Aufführungen (Konzerte, Theaterstücke, Tanz- und Filmaufführungen) über Workshops und Seminare, öffentliche Diskussionen und Gesprächsforen bis hin zu Ausstellungen sowie der Veranstaltung von Spartenfestivals und an speziellen Bedarfen orientierte Programmreihen. Während der Corona-Pandemie wurden alternative digitale oder hybride Formate für die Umsetzung konzipiert und durchgeführt, je nach aktueller epidemiologischer Lage.

Die transkulturelle Projektarbeit stellt einen Förderschwerpunkt innerhalb der Allgemeinen Projektförderung. Sie ging aus dem von 2016– 2019 ausgeschriebenen Programm „Flucht und Migration“ aus dem Integrationsplan des Landes NRW hervor und setzte das Ziel, nicht nur kunst- und kulturschaffende Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte in die soziokulturelle Projektarbeit einzubeziehen, sondern auch niedrigschwellige Teilhabemöglichkeiten für die Zielgruppen zu entwickeln und den gegenseitigen Austausch zwischen den Teilnehmenden zu fördern. Diese Ziele sind immer noch relevant, die Stärkung und die Wirkung von Projekten im transkulturellen Bereich zeigen indes aber auch, wie dynamisch der Reflexionsprozess über den Gesellschaftsbegriff durch die stetige inhaltliche Weiterentwicklung von geförderten Projekten voranschreitet. Personen, die anfangs selber die Zielgruppe der Antragsstellenden waren, reichen heute selber Anträge ein und führen Projekte durch. Vielfältige Kulturen sind in den Projekten im gemeinsamen Austausch und befinden sich in spannenden gesellschaftlichen Verhandlungsprozessen. Diese Entwicklung erfordert immer auch eine Berücksichtigung neuer oder angepasster Kriterien für die Beurteilung von beantragten Projekten im Transkultur-Förderbereich.

Kulturelle Bildung in der soziokulturellen Praxis

Soziokultur NRW fördert seit 2017 Projekte der Kulturellen Bildung. Eine wissenschaftliche Begleitung der geförderten Projekte im Zeitraum 2017–2019 hat Chancen und Herausforderungen der Kulturellen
Bildungsarbeit in soziokulturellen Zentren herausgestellt. So hat sich beispielsweise die enge Zusammenarbeit mit Künstler*innen und/ oder Kunstpädagog*innen als sehr gewinnbringend gezeigt, weil diese einerseits fortlaufend neue künstlerische Impulse in die Projekte und Zentren einbringen und andererseits teils über bestehende Kontakte neue Teilnehmer*innen „mitbringen“. Als Herausforderung erwies sich der durch die Förderperioden beschränkte zeitliche Rahmen für die Projektdurchführung, insbesondere auch bei Kooperationsprojekten, etwa mit Schulen. Für die Jahre 2021 und 2022 konnte das Förderprogramm „Kulturelle Bildung in der soziokulturellen Praxis“ erstmals zweijährig ausgeschrieben werden, gleichzeitig war auch ein deutlicher Mittelaufwuchs zu verzeichnen. Beides ermöglicht den projekttragenden Zentren eine langfristigere Planung und Verstetigung von kulturellen Bildungsprozessen. Dies ist eine positive und zukunftsweisende Entwicklung, die der für die Kulturelle Bildung elementaren Beziehungsarbeit besonders zugutekommt. Insgesamt wird das Aktivitätsfeld der Kulturellen Bildung in der Soziokultur so deutlich gestärkt.

In der aktuellen Förderrunde 2021/2022 sind 26 Mitgliedszentren von Soziokultur NRW mit Projekten der Kulturellen Bildung beteiligt. Die Projekte weisen eine große künstlerische Spannbreite auf: Von Bildender Kunst, Tanz, Musik bis zu Literatur und Theater sind unterschiedlichste Sparten vertreten. Der größte Teil der Projekte ist spartenübergreifend angelegt. Die meisten Projekte verorten sich in der Kinder- und Jugendkultur. Einige Projekte arbeiten altersgruppenübergreifend – so werden auch Erwachsene und ältere Menschen als Zielgruppen erreicht.

Kooperationen von soziokulturellen Zentren mit kommunalen Kultureinrichtungen

Von 2012–2019 hat das Land NRW Kooperationsprojekte von soziokulturellen Zentren und kommunalen Theatern gefördert. 2020/2021 wurde die Kooperationsförderung erstmals zweijährig ausgeschrieben und es wurden auch Kooperationen mit anderen kommunalen Kultureinrichtungen mit in die Förderung aufgenommen. Ziel der Programms ist es, Kommunikation und Kooperationen der soziokulturellen Zentren mit kommunalen Kultureinrichtungen zu fördern sowie bereits vorhandene Zusammenarbeiten auszubauen.

Im Zeitraum 2020/2021 sind neun Kooperationsprojekte in der Förderung. Die Spannbreite der kooperierenden kommunalen Kultureinrichtungen reicht dabei vom Stadtarchiv über Bibliothek, Museum und Musikschule bis hin zu Volkshochschulen. Entsprechend breit ist auch die spartenmäßige Verortung der Projekte: Literatur, politische Bildung, Medienarbeit, Fotografie, Digitale Kunst, Musik sowie Kinderund
Jugendkultur sind vertreten. Die meisten Projekte verfolgen einen spartenübergreifenden Ansatz. Alle Projekte orientieren sich an ihrem Sozialraum und blicken in die Stadtteile. Einige Projekte haben auch
eine ausdrückliche transkulturelle Perspektive eingenommen.

Das Fördervolumen 2020/2021 beträgt insgesamt 215.900 Euro bei einem Gesamtvolumen der Projekte in Höhe von rund 278.000 Euro.

Investitionsförderung

Die Investitionsförderung für soziokulturelle Zentren ist im Förderportfolio von Soziokultur NRW erst 2019 aufgenommen und zu einem sehr wichtigen Baustein geworden. Sie bietet die Möglichkeit, dem Investitionsstau in den Mitgliedseinrichtungen zu begegnen und kontinuierlich an der Instandhaltung und Aktualisierung z. B. der technischen Ausstattung zu arbeiten. Einer Umfrage zufolge lag der Investitionsbedarf im Jahr 2018 bei über 5 Millionen Euro. Die Nachfrage ist bei allen Ausschreibungen
der Investitionsförderung infolgedessen sehr hoch – es werden regelmäßig deutlich mehr Förderungen beantragt, als letztlich bewilligt werden können.

Schwerpunkte der geförderten Maßnahmen sind Anschaffungen von Ton- und Lichttechnik (insbesondere auch die Umstellung auf nachhaltigere LED-Beleuchtung), Bühnentechnik sowie zuletzt während der Corona-Pandemie auch vermehrt Technik für Streamingangebote. Letztere wurde oftmals ergänzend zu Förderungen aus Bundesmitteln (NEUSTART KULTUR) beantragt, um die Streamingtechnik noch weiter
zu optimieren und so bessere „pandemietaugliche“ Angebote realisieren zu können. Im Jahr 2019 wurde mit Sondermitteln des MKW die Gesamtsumme der zur Verfügung stehenden Mittel um 1.000.000 Euro aufgestockt. Die reguläre Förderung in den Jahren 2020 und 2021 liegt deutlich darunter: 2020 konnte mit den zur Verfügung stehenden 50.000 Euro Maßnahmen in 17 Zentren mit einem Gesamtvolumen von
rund 65.000 Euro gefördert werden (beantragtes Gesamtvolumen: rund 138.000 Euro). 2021 wurden 44 Zentren mit insgesamt 184.000 Euro gefördert (Gesamtvolumen der Maßnahmen: rund 195.000; beantragt wurden insgesamt rund 414.000 Euro).

Konzeptförderung

Die Konzeptförderung ist seit 2006 ein bewährtes Instrument zur künstlerischen Profilierung der Soziokulturellen Zentren in NRW und bietet beste Chancen für die Weiterentwicklung der Kultureinrichtungen. Die Besonderheit der Konzeptförderung liegt in der inhaltlichen Ausrichtung, in der Förderhöhe sowie in der drei Jahre überspannenden Förderzusage. Sie schafft bessere Rahmenbedingungen zur Weiterentwicklung des künstlerischen Profils, zur Professionalisierung der bestehenden Strukturen, zur Entwicklung einer Kommunikationsstrategie und Ausbau der Öffentlichkeitsarbeit sowie zur Gewinnung von Kooperationspartner* innen. Auch die Besucher*innenforschung und Zielgruppenanalyse sind wichtige Beschäftigungsfelder. Die Konzeptförderung dient der nachhaltigen Stärkung qualitativ herausragender, professioneller und erfahrener Projektträger genauso wie Neueinrichtungen von soziokulturellen Zentren in ihrer gesellschaftlichen Rolle als „Dritte Orte“ in Stadt und Land.


von Hendrik Stratmann und Carsten Nolte, Referenten bei Soziokultur NRW