Beitrag von Carsten Nolte | SOZIOKultur 2/2023.
Umdenken während der Pandemie
Wie auch andere Landesverbande im Bundesverband Soziokultur vergibt Soziokultur NRW in Nordrhein-Westfalen projektbezogene Fördergelder an soziokulturell arbeitende Einrichtungen, Vereine, Initiativen und engagierte Privatpersonen im Rahmen der Allgemeinen Projektförderung. Die Ausschreibungen richten sich an alle Kunst- und Kultursparten für ihre soziokulturellen Vorhaben, darunter auch Audio- und Medienprojekte. Die Anzahl der beantragten Projekte in diesem Bereich ist in den vergangenen Jahren meist überschaubar gewesen – letztlich geförderte lassen sich pro Jahr an einer Hand abzählen.
Während der Coronapandemie sind Audioprojekte aber wieder verstärkt in den Förderfokus gerückt. Die Zahl der beantragten und bewilligten Vorhaben hat sich mehr als verdoppelt. Nicht verwunderlich, denn die zeitweise verordnete veranstaltungsfreie Zeit zwang viele soziokulturelle Einrichtungen und Akteur*innen aus der freien Szene zum Umdenken. Ihre ursprünglich zur öffentlichen Aufführung geplanten Vorhaben konnten vielfach durch Audioformate realisiert werden. Die Projekte in Nordrhein-Westfalen mögen stellvertretend für diesen temporären Trend in allen Bundesländern stehen.
Audioguide des Bahnhofs Langendreer
Auch wenn die Pandemie nicht der alleinige Anlass war, einen Audioguide zum 35. Geburtstag des Bahnhofs Langendreerzu erstellen, so brachte die währenddessen verbrachte und gerade dadurch intensiv investierte Zeit eine qualitativ hochwertige Audioreise durch Geschichte und Gegenwart des soziokulturellen Zentrums in Bochum hervor. An 19 Stationen, die man anhand eines Lageplans abgehen kann, erfahrt man erstaunliche, rührende und witzige Geschichten über die Stadt, über (ehemalige) Stadtteilbewohner*innen, Besucher*innen und Politiker*innen, über Gründungsteam und heutige Mitarbeiter*innen – rund um 100 Jahre Bahnhof und 35 Jahre Kulturzentrum.
Podcastserie der Initiative „bunterbeton“
Die Initiative „bunterbeton“ des Vereins Die Urbanisten e.V.aus Dortmund richtet ihren Fokus auf kulturelle Stadtteilentwicklung und begleitende Veranstaltungen. Während der Pandemie entwickelte sie eine Vernetzungsplattform und eine 13-teilige Podcastserie, in der Zuhörer*innen etwas über die Organisationsformen, Motivationen und individuellen Arbeitsmethoden von Kulturinitiativen aus ganz Deutschland erfahren konnten. Sie sprach mit den jeweiligen Macher*innen über Themen wie Zwischennutzung von Leerstand, Verdrängung aus dem Stadtteil oder neue Experimentierräume für junge Stadttmacher*innen und dokumentierte dabei mannigfaltige soziokulturelle Arbeitsschwerpunkte.
Sprachnachrichten bei Polsprung
In den Podcast von „bunterbeton“ hätte auch das Vorhaben des Kölner Kollektivs Polsprunggepasst. Seit 2018 arbeiten Anwohner*innen, Initiativen und Arbeitsgemeinschaften an der Wiederbelebung des Ebertplatzes in Köln und gestalten diesen mit immer neuen (sozio-)kulturellen Aktivitäten. Im Projekt „Stimmen der Stadt“ installierte Polsprungeine eigens umgebaute, grün lackierte Telefonzelle als Experiment zum Austausch im öffentlichen Raum. Interessierte konnten über den Ziffernblock des Telefons eigene Gedanken oder Texte aufnehmen sowie bereits hinterlassene Nachrichten abhören. Über 400 Sprachnachrichten kamen so im Projektzeitraum zusammen. Manche Menschen sprachen mehrmals auf dieselbe Nummer immer neue Texte ein oder hinterließen sich gegenseitig Nachrichten. Andere Aufnahmen sind reine Zeitdokumente, die auf die Pandemie oder anstehende Wahlen Bezug nehmen, auch spielende Kinder entdeckten die Aufnahmefunktion und motivierten sich gegenseitig, etwas hineinzusprechen. Einziger Wermutstropfen: Die Aufnahmen dieses auditiven Begegnungsraums bleiben den Partizipierenden vorbehalten. Doch die Telefonzelle wandert derzeit weiter durch die Stadtteile.
Die Ausgabe 2/2023 des Magazins SOZIOKultur zum Thema Audio findet sich hier zum Download.